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Trailrunning um die tschechische Landeshauptstadt ist für mich kein
Neuland. Bei der letztjährigen Auflage, unter extrem kalten
Bedingungen, war die Gesamtdistanz noch 125 km. Bei Dauerfrost bis
zu -14 Grad kein Leichtes. Dieses Jahr hoffte ich auf eine bessere
Vorbereitung und natürlich besseres Wetter. Wie sich herausstellen
sollte ist der Dezember kein Garant für Hochdruckgebiete in
Mitteleuropa und so machte ich mich mit den Ausläufern vom Sturmtief
Xaver auf den Weg nach Prag. Müde am Stadtrand von Prag angekommen,
wo die Registrierung und der Start erfolgten, traf ich auch gleich
auf zwei deutsche Mitstreiter. Kurz darauf navigierte sich auch der
Gripmaster in die Sporthalle ein, wo sich alle Trailrunner
einfanden. Kurzer Smalltalk über die Strecke und die nicht fairen
Bedingungen die Xaver mitbrachte und so beschloss ich, mich mit dem
Auto an den Start fahren zu lassen. Nach einer kurzen aber
intensiven Spritztour im Gripmobil durch die Prager Nacht, zum
vermeintlichen Start, mussten wir feststellen, das nicht nur die
Strecke geändert wurde, sondern auch das Startareal einen neuen
Platz gefunden hatte. Ein wenig planlos, leicht desorientiert und
die Startzeit im Nacken suchten wir den Weg. Vier Minuten vor dem
offiziellen Start kamen uns einige Läufer entgegen. Perfekt durch
Stefan lanciert und noch reichlich drei Minuten bis zum Start, war
noch genug Zeit den Rucksack zu optimieren und die Stirnlampe zu
positionieren.
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Meldebüro von außen |
und von innen |
Nach dem Start von fast 300 Trailern, durch ein Neubaugebiet im
südlichen Stadtteil Modřany, ging es recht schnell über teils
gefrorene Feldwege und matschige Singletrails in die Wälder des
Prager Südens. Nach einigen Kilometern mit Beginn der Anstiege
selektierte sich das Feld zunehmend. Zu der Zeit traf ich Ulf
wieder, einer der wenigen Deutschen, die ich in der Sporthalle kenne
gelernt habe. Im Dunklen, teils bei heftigen Schneestürmen,
versuchte ich mich an ein paar Läufer dran zu heften, bei denen ich
das Gefühl hatte, sie würden den Weg durch die Nacht gut kennen. Bis
auf ein paar kleine Fehltritte und den damit verbundenen
zusätzlichen Metern funktionierte diese Strategie gut. Auf den
exponierten Höhenlagen und auf den freien Feldern war der
Schneesturm so heftig, das die Navigation über eine Wanderkarte und
die Wanderschilder unmöglich wurde. Ja, man erkannte kaum den Weg
und war der Hoffnung ausgesetzt, möglichst die richtige Richtung
einzuschlagen. Müdigkeit setzte bei mir schon recht zeitig ein,
trotz körperlicher Höchstarbeit hatte ich große Probleme die Augen
offen zu halten. Mit Ulf war ich nun schon seit einigen Kilometern
ein gut eingespieltes Team. Auf den Berganpassagen setze er sich
meist leicht von mir ab, damit ich in den Downhills wieder
aufschließen konnte. Auf den Flachstücken war dann meistens Zeit
auch ein bisschen zu quatschen. Zu einer Zeit als mich die Müdigkeit
wieder einmal überkam entschloss ich mich aufgrund von noch anderen
Faktoren die lange Distanz von 145 km auf 80 zu reduzieren und
lieber auf dieser Strecke ein ordentliches Ergebnis abzuliefern. Auf
Selbstzerstörung hatte ich nach gut 20 km keine Lust und gute 50 km
lagen ja selbst noch für die 80 km – Strecke vor uns. Nachdem wir
bei Kilometer 25 die Moldau überquerten, trafen wir den Herrn Repke
wieder, welcher mit vollem Fotoequipment tolle Bilder vom Lauf
machte.
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die goldene Stadt bei Nacht |
Kampf durch den Schneesturm |
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Trail-Impressionen |
Zu dieser Zeit lagen wir sehr gut auf Kurs und immer in den Top 30.
Irgendwann, mitten in der Nacht, als der Sturm besonders heftig war,
liefen wir auf Lazlo Barta auf. Lazlo, ein ungarischer Dauerbrenner,
der fast jeden Lauf im nahen Osteuropa schon gefinished hat. Diese
Troika sollte sich für uns beide als Glücksgriff erweisen. Lazlo
navigierte uns ohne auch nur einmal anzuhalten, dank GPS-Gerät,
durch die verschneiten Wälder Böhmens. Da das Teilnehmerfeld schon
ziemlich auseinander gezogen war und kaum noch Stirnlampen den Weg
weisen konnten, befanden wir uns hier in bester Gesellschaft. Nach
der ersten Verpflegungsstelle bei km 25 waren wir froh nach weiteren
30 eine warme Suppe in einer Gaststätte einnehmen zu dürfen und uns
ein wenig aufzuwärmen. Es war bereits 4 Uhr morgens und unser Focus
lag nur darauf dem Ungarn und seinen Navigationskünsten solange wie
möglich folgen zu können, nur so würden wir problemlos durch die
Nacht kommen. Ulf fragte mich zwischenzeitlich ob wir es auch ohne
Lazlo schaffen würden den Weg zu finden um ein wenig das Tempo zu
drosseln. Ich antwortete darauf, dass wir nach Sonnenaufgang gerne
unseren eigenen Stiefel laufen könnten, aber so lange es dunkel ist
sollten wir uns auf Gedeih und Verderb an seine Fersen hängen, es
waren ja nur noch 2-3 Stunden. Die Nacht war noch nicht zu Ende da
fiel mir auf, das es auf einmal total windstill geworden war und der
Himmel den Blick auf die Sterne frei gab. Die Temperaturen sanken
dementsprechend tiefer in den Keller und die aufgehende Sonne konnte
dies in den Morgenstunden auch nicht ändern. Zu allem Überfluss
gesellten sich ca. 18 km vor dem 80km Checkpoint zwei weitere Ungarn
und ein Tscheche zu uns. Das hohe Tempo wurde nun straffer und
bergauf hatte ich nun erhebliche Probleme zu folgen. Die Kraft die
ich aufbringen musste um die verlorene Distanz in den
Downhillpassagen und in den Flachstücken zu kompensieren, um nicht
alleine im Wald zu stehen, war enorm. Ich wusste, dass ich bei
diesem Tempo keinen Meter weiter als die 80 km wollte. Am vorletzten
Berg, kurz vor Králův Dvůr war es dann um uns geschehen. Im Anstieg
konnte ich nicht mehr folgen und hatte auf den letzten 7 km bei
Tageslicht auch nicht mehr die Ambitionen darauf. Ulf ging es
ähnlich und so trabten wir die letzten Kilometer in die Sporthalle
von Králův Dvůr. Mit der Zeit von 11:42 Stunden für die Distanz bei
2.650hm waren wir mehr als zufrieden. Auf weitere 65 km für die
Jubiläumsausgabe des Pražká Stovka hatte ich zu diesem Zeitpunkt
kein Interesse mehr. Meine Komfortzone hatte ich auch schon bei der
Bambinidistanz verlassen und war froh dieses Mal keine weiteren 12
Stunden in der noch so schönen, aber kalten und nassen Umgebung
verbringen zu müssen. Auf der Rückfahrt zum Ausgangspunkt mit den
öffentlichen Verkehrsmitteln hatten wir dank einer bunten
internationalen Truppe viel Gesprächsstoff.
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Fazit: Wer auf der Suche nach einem Trailrunningabenteuer in
Mitteleuropa mit viel Autonomie ist, mit den Naturgewalten im
Dezember spielen mag und sich mit dem einfachsten aber voll
ausreichenden Servicepaket begnügen kann, der ist beim Pražká Stovka
gut aufgehoben. Bei einem Startgeld von nur 300 CZK (ca. 12€) und
guten Verkehrsanbindungen ist Prag auch im Dezember eine Reise wert. |
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