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 Pražká Stovka vom 5. - 7. Dezember 2014

...warten auf den Zug zum Start nach Stará Hut'


Das Losglück ist mir nicht immer hold musste ich feststellen, als ich mich weder auf der Start- noch auf der Warteliste für den KoBoLT wieder fand. Diese 140 km auf dem Rheinsteig, von Koblenz nach Bonn, waren eigentlich gemeinsam mit Aldo, Robert und Torschti als würdiger läuferischer Jahresabschluss 2014 auserkoren worden. Letztendlich konnten Aldo und Robert dort starten und waren auch erfolgreich, aber was mache ich nun? Jägerstein-Ultra schon lange ausgebucht, alle anderen mir angenehmen Veranstaltungen in weiter Ferne! Da kam mir Thomas mit seiner Idee den Pražká Stovka am Rande von Prag zu laufen gerade recht. Auch Dirk oder besser „Wiese“ wurde ohne große Überzeugungsarbeit als Mitstreiter gewonnen. Und so saßen wir zu dritt am Nachmittag des 5. Dezember in Wieses tschechischem Kombi und rollten über die Autobahn nach Prag.
 

Konzentration vor dem Start

130,9 km / 4.400 Höhenmeter eine Bahnfahrt die ist lustig

Thomas, der dieses Rennen schon mehrfach gefinisht hatte, wurde auf der Fahrt nicht müde uns von den immer harten Bedingungen auf den 130,9 Kilometern, gespickt mit 4.400 Höhenmetern zu erzählen. Bis zu -20°C, eisige Winde, völlige Autonomie…., nur das hungrige Rudel Wölfe auf Läuferjagd fehlte in seinen Schilderungen. Wiese und ich waren schwer beeindruckt! Der Blick zum Himmel und auf das Thermometer ließen uns aber entspannt in einer Prager Turnhalle Quartier beziehen. 2 bis  4 °C würden uns erwarten dazu hin und wieder ein wenig Sprühregen. Für ein Dezemberläufchen also ganz angenehm.
 
der Track zeigt nicht wirklich was uns erwartet


Gegen 22.00 Uhr, als wir uns per Bus auf den Weg zum Bahnhof Modřany machten, war die Temperatur zwar im Plan, der Sprühregen aber schon recht heftig. Von Modřany aus fuhren wir per Zug nach Stará Hut‘, dem Startpunkt des Unternehmens Prager Ultratrail. Vor Ort, 23.35 Uhr raus aus dem Zug, den 400 Mitstreitern einfach hinterher, die Stirnlampe noch einmal zurechtgerückt und schon ging es los auf die Trails in der regennassen Nacht. Schon bald zog sich das Feld auseinander und aus halbwegs befestigten Waldwegen wurden coole Singletrails mit Flussüberquerungen auf nassen, schmierigen Baumstämmen oder kettengesichert an Felswänden empor. Ein Ausrutscher an Letzteren ging gerade noch mal gut für mich aus. Dank sofortiger Kühlung blieb mir ein Veilchen erspart, nur eine Schmarre mit dunkler Umrandung blieb auf der Nase zurück und das Nasenbluten war auch bald vorbei. Etwas vorsichtiger unterwegs wurde dann auch bald der erste Verpflegungspunkt nach 18,2 Km erreicht. Cola, warme Puddingsuppe, Käse… weckten die Lebensgeister wieder und auch der Sprühregen war nicht mehr ganz so doll.
 

diese Kontrollkarte will ausgefüllt werden ...und hinein in die nasskalte Nacht


Eine tschechische Läuferin meinte, ich könne mein GPS wieder einstecken, sie kenne den weiteren Weg. Mit mir gut 15 weitere Läufer nahmen das Angebot gern an und folgten der Dame. Nach 2,7 km waren wir dann aber allesamt der Meinung falsch zu sein und so ging es, GPS-geführt erst einmal  wieder zurück (denn einen der 31 Kontrollpunkte zu verpassen zöge ein DNF nach sich) und dann wieder rauf auf den wirklich phantastischen Trail. Der Morgen wollte noch nicht so richtig beginnen. Das Dunkel der schweren Regenwolken, welche ihre nasse Fracht unbarmherzig ausschütteten, verschluckte jedes Licht. Alles irgendwie nass, kalt und klamm kam ich beim nächsten Verpflegungspunkt, am Kilometer 46,4  an. Die Lust am Lauf war mir langsam vergangen. Eine warme Suppe und ein bleifreies Bier konnten mich auch nicht so recht aufbauen. Ein Telefonat nach Hause gab dann aber ganz lieb die Linie vor: „Weitermachen!“.
 

tolle Passage, bei Nacht noch schöner ( Foto: Jan Pavlik) tief unten im Nebel die Moldau
herrliche Aussichten, wenn es der Regen zuließ


Also raus auf die Piste. Einen Schritt zugelegt, damit der Köper wieder auf Betriebstemperatur kam. Kein Lichtblick am Himmel. Die Trails waren zwar immer noch cool, da landschaftlich sehr reizvoll gelegen, aber leider war kaum ein Blick auf die Landschaft möglich, vielmehr musste der nächste Meter voraus genau fixiert werden, um im immer schlimmer werdenden Modder nicht auszurutschen. Das grobe Profil der Schuhe gab, weil zugesetzt, teilweise auch nur wenig Halt. 61,9 Kilometer, der nächste Verpflegungspunkt. Gemüsesuppe, alkoholfreies Bier, Cola und wieder raus in den Regen. Zwischendurch mal der Anschein, die Sonne kommt noch heraus. Aber sie tat uns den Gefallen nicht! Positiv allerdings, der Regen setzte zwischen 14.00 und 16.00 Uhr mal ein wenig aus. Kilometer 75, hier wurde im Vorfeld schon vor einer rutschigen Lehmpiste gewarnt. Gemeinsam mit einem Slowaken schau ich einen gelb-schmierigen Abhang hinunter. Das kann doch nicht wahr sein! Irgendwie wurschteln wir uns an Zweigen und Ranken sturzfrei hinab, aber nur um danach die nächsten 3 km durch knöcheltiefen Modder zu stapfen. Dann endlich geht es bergauf. Fester Boden, was für ein Genuss. Kilometer 78,5, das geht doch gar nicht! Was jetzt kommt, hat mit Laufen nichts zu tun. Eine halbe Stunde benötige ich für gut 1 km, um mich an schmierigen Hängen hinauf und hinab zu kämpfen. Echt grenzwertig und kreuzgefährlich! Ein Absturz hier hätte fatale Folgen gehabt.
 

Thomas (hinten) ist längst über alle Berge und wie man sieht, bestens gelaunt (Foto: Martina Němečkova)


Dann endlich der Verpflegungspunkt am Kilometer 80. Suppe und das übliche Programm und ein Lebenszeichen nach Hause gesendet. Schlimmer kann es eigentlich nicht mehr werden. Raus und auf erstaunlich guten, malerischen Pfaden die nächsten Kilometer immer an der Moldau entlang, bis am Ende dieses schönen Trails die Nacht mich wieder verschluckt. Der Regen ist schwächer geworden, dafür kriecht die Kälte in die Glieder, vor allem in den höheren Lagen. Štěchovice, eine wunderschöne Kleinstadt wird passiert. Bis zu den Knien völlig voller Schlamm wird nach 99,1 Km die nächste Verpflegung erreicht. Das bekannte Programm läuft ab. Ein letztes Lebenszeichen nach Hause, bevor sich der Akku des Handys verabschiedet. Wieder vor der Tür krame ich das GPS raus, da die Streckenkennzeichnung nicht ganz klar ist. Ein Tscheche erklärt mir in Hand- und Fuß- Englisch, das er von hier sei und den Weg kenne. GPS also wieder verstaut und mit ihm los. Nach 1,5 km stehen wir im Niemandsland fern des Tracks. Rummotzen nutzt nichts, er versteht mich eh nicht. Wieder zurück... und der Regen macht mich fast wahnsinnig.
 

irre Trails mit Kopf-schlage-Potential ;-)
Genuss-Passage mit festem Boden (Foto: Filip Váchal) der Lohn der Mühen
Thomas im Ziel bloß gut, Fotos riechen nicht ;-)


Kilometer 110,3 – Verpflegungspunkt der kein wirklicher Verpflegungspunkt ist. Eine lauwarme Pilzsuppe bekomme ich noch. Bier, Cola, Wasser wird mir verwehrt, da das Etablissement ja bereits geschlossen habe. Mir platzt fast der Kragen. Wieder raus an die Frischluft, es sprühregnet nur noch und über die Berge ziehen die Nebel. Mit 2 Gels und einem halben Liter Wasser muss ich die letzten 21 km überleben. An einem Bahnhof an der Strecke riskiere ich einen Blick auf den Fahrplan. Der nächste Zug nach Prag geht um 4.20 Uhr. Es ist jetzt 23.00 Uhr – ich bin zum Finish verdammt. Auf wunderbaren Singletrails kämpfe ich mich voran. Von den Gipfeln schaut man bereits auf die Lichter von Prag. Verdammt, das muss doch bald geschafft sein. Am Rande eines Vororts wird ein kleiner Tierpark durchquert. Die Augen die im Dunkel leuchten freuen sich sicher auf Beute. Dann wieder ein langer und sehr steiler Anstieg. Der vorletzte! Noch einmal im Zickzack durch den Wald und eine schier endlose Böschung hinauf. Der Trail spuckt mich an einer Straßenbahnhaltestelle aus. Um diese Zeit ist aber kein Mensch unterwegs. Mit dem GPS navigiere ich mich durch ein Neubaugebiet hindurch ins Ziel hinein. Die Uhr zeigt 4.25 Uhr, ich habe also den kompletten Nikolaustag in böhmischen Wäldern verbracht. Ich bekomme meine Urkunde, etwas zu trinken und setze mich erst mal hin. Der gröbste Dreck wird abgeklopft, dann marschiere ich zu meiner Schlafstelle. Thomas und Wiese begrüßen mich mit der Frage, ob wir ein Finisher-Bier trinken. Natürlich! 5.30 Uhr krieche ich in meinen Schlafsack und ziehe nicht mal den Reißverschluss zu, denn da bin ich bereits eingeschlafen.
 

das Finisher-Bier, morgens um 5 in Prag


Kaum 2 Stunden später heißt es Aufstehen! Die Heimfahrt wartet. Thomas hat das Rennen nach sagenhaften 18:59 Stunden auf Platz 17 beendet, für mich unfassbar. Wiese hat nach 80 km und 19:08 Stunden die Reißleine gezogen und sich mit der Teilstrecke begnügt. Ich lande mit meinen 28:44 Stunden immerhin noch auf Platz 115 von nur 183 Finishern. Ich bin stolz drauf und danke Kerstin, die mir nach 46 Kilometern telefonisch in den Hintern getreten hatte… Außerdem kann ich jetzt auch wie Thomas Geschichten von den harten Bedingungen beim Pražká Stovka erzählen ;-) Sicher starte ich hier auch noch mal, denn die Landschaft ist wirklich phantastisch und die Trails sind allererste Sahne, nur weniger Wasser von oben hätte ich beim nächsten Mal gerne!
 


zu den T-Rex- Ergebnissen

zu Thomas' Bericht vom Pražká Stovka 2013
 


Fotos: (wenn nicht anders aufgeführt) Volker Roßberg, Dirk Wiesner, Thomas Rosse

 


Ein paar technische Daten zum Lauf:
Streckenangebote: die Strecke des Pražká Stovka variiert von Jahr zu Jahr, 2014 waren es 130,9 km mit 4.400 hm
Nebenstrecken: 50 km mit 1.900 hm, 31 km mit 1.250 hm und 12 km mit 400 hm
Insgesamt 2014 ca. 400 Starter auf der langen Strecke mit 183 Finishern
mehr dazu  unter www.dalkovepochody.cz