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  die hintere Schwärze (3.624 m) stolzer Gipfel auf dem Südtiroler Grenzverlauf   

A

Nachdem Franz und mir (Volker) im vergangenen Jahr die Besteigung des Ortlers geglückt war, sollte am 25. Juli 2007 die Hintere Schwärze, als nicht minder schwieriger Gipfel den Eintrag in unsere Tourenbücher finden. Nach akribischer Vorbereitung erwartete uns ein recht kühles, aber klares Bergwetter am Startpunkt des Vorhabens, dem Vorderkaser (1.693 m), auch bekannt als Ausgangspunkt für Wanderungen in das herrliche und wildreiche Pfossental, mit Übergängen zur Lodner- oder Stettiner Hütte. Was wir dort noch nicht wussten, dass ein Zitat des wohl allseits bekannten Homer J. Simpson: "Etwas zu versuchen, ist der erste Schritt zum Scheitern!" auf uns zutreffen würde, ließ uns zunächst forsch und zügig auf dem gut ausgebautem Wanderweg, bis nahe zum Mitterkaser (1.954 m) ausschreiten. Vor dieser Alm geht es dann weglos, steil und anstrengend, in nordwestlicher Richtung die Roßbergalpe hinauf. In der Morgensonne genossen wir Bilderbuchausblicke auf das obere Pfossental, mit der Hohen Weißen (oben) im Talschluss, sowie Roteck als höchsten und Texelspitze als namensgebenden Gipfel der Texelgruppe (A).

B C
Mit Erreichen des Murmentenknotts, einer kleinen felsigen Erhebung inmitten der auf gut 2.650 m schon recht kargen Almböden, gab es die ersten zwei Überraschungen des Tages für uns. Das vorabendliche Gewitter hatte unseren Gipfelgrat (B) etwas eingeschneit und zudem war vom Scharferner, der uns mit seinem Firnfeld leicht auf das Marzelljoch leiten sollte, nichts mehr zu sehen. Klimawandel einmal hautnah erlebt! Aber entmutigen ließen wir uns nicht, Franz hatte schon die mögliche Route im Blick (C). Zudem lagen wir top in der Zeit und das Wetter war einfach nur sagenhaft schön.  
E F
Weniger schön, man könnte es eigentlich heikel und extrem schweißtreibend bezeichnen, war dann unser Weg zum Marzelljoch. Die ausgespähte Linie war nicht machbar, da ein unaufhörliches Steinschlag - Bombardement niederging. Also schoben wir uns labile Schutthänge hinauf (E), die irgendwie kein Ende nehmen wollten. Der Blick zu den markanten Berggestalten der Hohen Weiße und des Lodner  ließ uns kalt. Wir quälten uns die Südwand hinauf, nicht wissend  was uns noch erwartet. Nur eines wussten wir, ein Zurück auf diesem Weg gibt es nicht für uns.
G H
Endlich auf dem Marzelljoch (3.450 m), es war kurz vor der Mittagsstunde, waren wir beide platt von den Anstrengungen. Nach einer ausgiebigen Rast (J), es war dringend nötig zu essen und zu trinken, beratschlagten wir über unseren Weiterweg. Dabei schauten wir tief hinab ins Pfossental, mit den Schneefetzen des ehemaligen Scharferners (G),  hinüber zur Weißkugel (H) oder zur gewaltigen Schneefläche des Schalfferners (I). Wohl wissend, dass uns die Zeit für den Südwestgrat der hinteren Schwärze, immerhin gut 1 km mit Stelle IV,  nicht mehr reicht, suchten wir einen Ausweg.

J

  I
Südwestgrat zeitlich nicht zu machen, südseitig vom Joch abwärts unmöglich, westlich über die Westliche Marzellspitze unbekannt. Da blieb uns nur der Abstieg nordseitig des Jochs. "Prost Mahlzeit" dachten wir, als wir in diesen vereisten, mit Steinen durchsetzten und mit Puderschnee überzogenen Abgrund hinunterschauten (K). Steigeisen angeschnallt und hinein in das Vergnügen! Vorsichtig tasteten wir uns in den Hang hinein. Es ging besser als gedacht, obwohl das Eis extrem hart war. Mit den Füßen gab es guten Stand, nur mit unseren Tourenpickeln war es mühsam Halt im Eis zu bekommen. Die halbe Wand stiegen wir langsam aber sicher hinab. Dann passierte es!  
 K  L
Franz verlor sein rechtes Steigeisen! Toll! Zur Hosenbodenabfahrt noch zu weit und zu steinig. Was nun? Ich versuchte an Franz' Seite zu kommen, wollte eine Eisschraube eindrehen und ihn daran ablassen. Unser 30 m - Seil hätte locker gereicht. Aber ich passte nicht auf, setzte einen Fuß nicht exakt und ehe ich irgendetwas dagegen tun konnte, ging es für mich rasant abwärts. Zum Glück konnte ich mich drehen und die Füße so ausrichten, dass die Steigeisen nicht die Waden ruinierten. Mit dem Pickel zu bremsen war nicht machbar in dem harten Eis. So landete ich dann, Füße voran, Gesicht zum Tal, im flachen Bergschrund, glücklicherweise zwischen den gröbsten Felsbrocken. Ein kurzer Check! Alles in Ordnung. Wie bekomme ich nun Franz aus er Wand? Hoch wollte ich nicht unbedingt noch mal. Franz entwickelte eine "neuartige" Technik, die es ihm ermöglichte, langsam aber sicher den Weg hinunter zu meistern. Pickel fest einschlagen, daran beidhändig festklammern, Fuß mit dem Steigeisen tiefer setzen usw..... Als er unten war gab es erst mal eine Schadensaufnahme. Am linken Unterarm und an mehreren Stellen an den Beinen fehlten mir größere Hautflächen, die Hose war arg demoliert und das Hemd auch etwas mitgenommen. Im Grunde genommen aber "Schwein gehabt"! Nachdem mein Jahre altes Verbandpäckchen den Weg aus der grauen Verpackung ans Licht und an meinen Arm gefunden hatte, gönnten wir uns einen wohl verdienten Willi auf den Schreck (L). Meine Schnellabstiegsroute ist auf Bild (M) zu sehen. Sie beginnt etwas links im oberen Bilddrittel.     
 M  N

Aber lange hielten wir uns nicht auf, wir machten uns gletscherfertig und begannen den Weiterweg über den stark spaltigen Marzellferner, in Richtung Martin - Busch - Hütte. Ein Weg der volle Konzentration erforderte, um im Spaltenlabyrinth auch wirklich einen Weg nach Unten zu finden. Die Spalten an sich waren keine groß Gefahr, da sehr gut sichtbar.

O P

Der Abstieg bescherte uns wieder herrliche Blicke auf die umliegende Bergwelt. Unser eigentliches Ziel, die hintere Schwärze, zeigte in voller Pracht ihr nicht apere Nordwand!!! , sowie den von uns geplanten Südwestgrat (O). Auf Bild (P) die mächtigen Südabstürze eines der wohl bekanntesten Ötztaler Gipfel. Wer kennt ihn nicht!? In dieser Kulisse übten wir uns im Spaltenspringen und wie man sieht, hatten wir unsere Freude daran (Q). 

Q
R S

Im unteren Teil unsere Gletscherwanderung zog die Nordwand, oder besser deren ausgeaperte Überreste, des Parade - Berges Similaun unsere Blicke auf sich (R). Ein trauriges Bild! Wer diesen Weg hinauf will, muss wohl in einem schneereichen Winter seine Ambitionen anmelden. Obwohl der Marzellferner noch gewaltige Ausmaße hat, kann man in Bild (S) an den Felsabstürzen seine ehemals wahre Größe nur noch erahnen. Irgendwann waren wir dann froh, die Steigeisen abschnallen zu können und unseren weiteren Weg zur Martin- Busch-Hütte (T) auf festem Untergrund fortzusetzen. Die herrlich gelegene Hütte (2.501 m) war wie neuer Treibstoff für uns. Beim Gedanken an ein warmes Essen und ein lecker Bierchen, setzten sich die Füße viel leichter als vorher voreinander. Wir genossen hier eine ausgiebige Rast und setzen in schönster Abendsonne unseren Weg hinauf zur Similaunhütte (3.019 m) fort. Hier erlebten wir wieder einen tollen Blick auf den Similaun, als formschönen Berg, obwohl die Größe des von ihm fließenden Niederjochferners auch schon recht kläglich ist (U).

T U
V W

Endlich in der Similaunhütte (V)! Ruhig sitzen oder liegen.... ein Genuss!  Die Strapazen des Tages  sieht man uns recht deutlich an. Über 13 Stunden in den Bergen unterwegs, das hinterlässt Spuren. Viele Biere brauchen wir am Abend nicht mehr, um noch deutlich vor der Hüttenruhe in einen Tiefschlaf zu fallen. Wir überlegten noch, ob wir am anderen Morgen einen Abstecher auf den Similaun machen. Der Gedanke wurde aber noch vor dem Frühstück am nächsten Morgen fallen gelassen. Zu sehr taten uns die Knochen weh. Wir genossen den Abstieg von der Similaunhütte (W) durch das Tisental nach Vernagt (auf ca. 1.700 m).

X Y
Z

Bei herrlichstem Wetter auf das Blau des Vernagt - Stausees zuzuschreiten (X) machte richtig Spaß und ließ die schmerzende Muskulatur und vor allem die plattgelatschten Füße vergessen. Die Ziegen störte es wenig, als wir zwei voll bepackten Berggänger ihren saftigen Weidegrund durchschritten. So erreichten wir gut gelaunt das Buswartehäuschen zu Vernagt. Warteten 1 Std. auf den Bus, 1 1/2 Stunden, 1 3/4 Stunden, dann kam er endlich ...und hielt nicht an! So machte ich mich wütend per Pedes und per Anhalter auf den Weg zum Vorderkaser im Pfossental, um unser Auto zu holen. Bei weit über 30 °C wenig angenehm! Franz weiß jetzt aber ein bequemes und schattiges Bushäuschen zu schätzen. 3 Stunden seines Lebens hat er darin verbracht, Dank der Südtiroler Verkehrsbetriebe! Trotz dieses Ärgers haben wir aber eine geniale Bergtour erlebt, auch wenn wir das geplante Ziel dieses mal nicht erreicht haben. Der nächste Versuch wird aber klappen, da sind wir ganz sicher!    

Die technischen Daten:
unser Start war am Parkplatz des Vorderkaser im Pfossental, 1.693 m
den gut ausgebautem Wanderweg nordöstlich in das Pfossental hinein
ca. 300 m vor dem Mitterkaser, 1.954 m, nordwestlich weglos in das Roßbergtal
am Murmentenknott und östlich der Scharwand steil über Geröll empor
der Scharferner ist nicht mehr vorhanden, heikel durch steiles Geröll auf das Marzelljoch 3.450 m
dort nordseitig hinab auf den Marzellferner (mit 60 m Doppelseil abseilbar)
auf dem Ferner linksseitig hinab ,nordöstlich der westlichen Marzellspitze
am Ende der Felswand den Gletscher nördlich queren, zu den südwestlichen Abstürzen der Mutmal-Spitze 
nördlich hinab und auf ca. 2.700 m westlich queren zu den Felsen des Marzellkamms
hier den Weg (wurde 2007 wegen Felssturz verlegt) zur Martin-Busch-Hütte suchen
weiter zur Martin-Busch-Hütte 2.501 m
von hier südwestlich das Tal hinauf zur Similaunhütte 3.019 m auf das Niederjoch
wir haben hier übernachtet und sind am nächsten morgen durch das Tisental
nach Vernagt am Stausee abgestiegen 1.700 m

unser Zeitaufwand: Vorderkaser - Marzelljoch = 6 Std. (30 min Pause) / Marzelljoch - Martin-Busch-Hütte = 5 Std. (45 min Pause)
Martin-Busch-Hütte - Similaunhütte = 2 Std. / Similaunhütte - Vernagt = 1 1/2 Std. 

Das Pfossental erreicht man von der Staatsstraße 38 "Meran - Reschenpass" nach der Ortslage Naturns über die Schnalstalstraße (gut ausgeschildert).

Charakter:
Eine sehr schöne, aber auch lange und streckenweise sehr anstrengende Tour. Durch den fehlenden Scharferner sehr anstrengend und zeitaufwendig auf das Marzelljoch. Wir haben hier so viel Zeit verloren, dass der Weiterweg über den SW-Grat und der Abstieg über den Nordgrat nicht mehr zu packen waren. Da der Weg zur Martin-Busch-Hütte zudem sehr weit und nicht einfach zu finden ist, war unsere Entscheidung zum Abstieg vom Marzelljoch wohl goldrichtig. Wir kennen uns jetzt aber bestens dort aus und sind für einen weiteren Versuch gewappnet.

Karten / Literatur:
Kompass Nr. 051 Naturns - Latsch
AV-Karte 30/1, Ötztaler Alpen, Gurgl
AV-Führer Ötztaler Alpen, ISBN 3-7633-1123-8
Hochtouren Ostalpen / Edwin Schmitt, Wolfgang Pusch, ISBN 3-7633-3010-0

Ausrüstung:
komplette Hochtourenausrüstung, 30 m Seil ausreichend, 60 m Doppelseil evtl. von Vorteil (Abseilen)

Unterkunft:
für das Basislager: diverse Möglichkeiten, in diesem touristisch sehr gut erschlossenen Gebiet
(Partschins - z.B. hier, Naturns, Rabland, Vernagt, Unser Frau in Schnals, Karthaus... )

Similaunhütte (keine AV - Hütte) Tel. Italien 0473/669711
Martin-Busch-Hütte Tel. Österreich 0664/3043151

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