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JUNUT-Romantik |
Da sitze ich nach meinem vermasselten UTMB
2014 vor dem Bildschirm und google, wo denn ein paar irre Typen ein
Rennen veranstalten, welches mir die benötigten Punkte für die
nächste dieser Veranstaltung bringen könnte. Bei „JUNUT“ bliebe ich
hängen. „Jurasteig Nonstop Ultratrail“ heißt das Zauberwort. 230 km
mit 7.900 Höhenmetern oder 172 km mit 5.900 Höhenmetern, beides vier
Punkte wert. Der Jurasteig befindet sich in Mittelfranken, grob im
Dreieck zwischen Nürnberg, Amberg und Regensburg gelegen und
fordert demzufolge für uns auch keine große Anreiselogistik. Da
muss ich hin! Besagte Pünktchen gibt es auch für die
Weichei-Version, also wähle ich den Weg des geringsten Widerstandes.
Mit Kerstin ist der nachösterliche Kurzurlaub 2015 schnell geklärt
und mit
Aldo auch ganz schnell ein weiterer
Mitstreiter gefunden.
Dass es bald darauf schon eine Streckenveränderung gibt, von 230 auf
239, bzw. von 172 auf 170 km juckt mich herzlich wenig. Die
Reduktion der UTMB-Punkte von vier auf null ist aber schon ein
kleiner Dolchstoß in mein Läuferherz. Das Thema der
Kommerzialisierung des Sports will ich hier nicht diskutieren, aber
das Verständnis, das kleine Veranstalter sich dagegen stemmen finde
ich generell in Ordnung. Dies und die begeisternden Berichte zu den
JUNUT’s der Vorjahre lassen mich dann aber doch an meinem Vorhaben
festhalten und, …ich wurde dafür reich belohnt! |
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Gelbe Drop-Bags --- schnell verstecken |
beim Briefing, Gerhard Börner, 2. v.l. |
Donnerstag, 9. April 2015
--- Wir holen in Dietfurt an der
Altmühl unsere Startunterlagen ab. Die 239-km-Männer und –Frauen
bekommen graue Drop-Bags, wir 170 km – Leute gelbe. Ich fühle mich
als Weichei in der Übermacht der Grauen und lasse das gelbe Teil
schnell in meinem Rucksack verschwinden. Ein Blick in die
Startliste, wir stehen unter „früh-kurz“ und sind schon wieder als
Weicheier enttarnt. „9.00 Uhr Start – kurze Strecke“ ist der
bedeutsame Inhalt dieser Phrase. „Spät-kurz“ (15.00 Uhr) hätte von
mehr Tempo, „früh-lang“ wenigsten von grauen Drop-Bags und
„spät-lang“ von der Königsklasse gezeugt. Aber egal, wir müssen da
jetzt durch und schauen auf zu den „Nicht-früh-kurzen“, mit denen
wir später das Briefing erleben und noch später an einer opulenten
Pastaparty im „Stirzer“ teilnehmen. |
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selten solch leckere Pasta-Party erlebt |
gelbe Drop-Bags klar in der Unterzahl |
Freitag, 10. April 2015
--- Morgens kurz vor 9.00 Uhr. Wir
stehen auf dem Marktplatz zu Dietfurt und fiebern dem Startschuss
entgegen. Es ist noch morgendlich frisch, die Sonne verspricht aber
schon jetzt einen schönen warmen Frühlingstag. Wir sind aufgeregt,
alle, egal ob „früh-kurz“ oder „früh-lang“. Kerstin und Almuth sehen
dass gelassener, sie werden uns an den Verpflegungspunkten treffen
und mit dem versorgen, was nicht im gelben Drop-Bag oder unseren
Rucksäcken steckt. …und dann geht es endlich los ins Vergnügen! Der
Altmühl folgend, mal nach links hoch, raus aus dem Tal und wieder
runter, mal rechts hoch, raus aus dem Tal und wieder runter werden
die ersten 26,5 km und 1.014 hm bis zum VP1 in Riedenburg
abgerissen. Unsere Damen am VP versorgen uns ordentlich und weiter
geht es in gleicher Manier. Etwas langsamer jetzt, da Aldo leichte
Probleme mit der Wärme hat. |
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Minuten vor dem Start, mit Martin Woytinek |
...die Navi's werden geeicht |
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...und auf geht es, ins Vergnügen |
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hinaus aus Dietfurt |
und schon wartet der erste Anstieg |
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oben... phantastischer Tiefblick |
kurz runter ins Tal und gleich wieder hoch |
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unterwegs
auf einem herrlichen Stück Erde |
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Aufstieg zu den Teufelsfelsen |
Idyll nach 11 km |
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Riedenburg unter uns im Altmühltal - der
VP1 in greifbarer Nähe |
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der VP zieeeeeeht |
Der schier endlose
Keltenwall führt uns zur Donau hinab, spendet aber angenehmen
Schatten und bald schon haben wir die Befreiungshalle im Blick und
damit den nächsten VP in Kelheim in greifbarer Nähe. „Auftanken“,
aufmunternde Worte hören und weiter geht es. Jetzt aber getrennt,
denn Aldo will regenerieren und später wieder versuchen zu mir
aufzulaufen. Durch weitläufige Wälder, mit kreuz und quer
herumliegenden Hinterlassenschaften von Sturmtief Niklas, danach
über endlose Feldwege, erreicht mich in Bad Abbach das Dunkel der
Nacht. Im Briefing haben wir gelernt, ein rabiater Jagdpächter und
ausgewiesener Wanderweg-Feind entfernt auf dem nun folgenden Stück
regelmäßig die Wegmarkierungen. Mit dem GPS-Track sollte das kein
Problem sein, doch eine glückliche Fügung ließ mich hier auf Gerhard
Börner, seines Zeichens Veranstalter des Rennens auflaufen… und wenn
der den Weg nicht kennt!?! In seinem Windschatten fliege ich
förmlich und vor allem zielsicher in Matting ein. Kilometer 78,5, VP
3 und zugleich die erste Drop-Bag-Station. Schuhe und Socken
wechseln, trockenes Shirt anziehen, eine Jacke für die Nacht
überwerfen, essen, ein Bier und von Kerstin & Almuth bis zum
nächsten Tag verabschieden. Die beiden warten hier auf Aldo, der
sein Rennen beendet (Kreislauf, Magen, Darm… es war leider nicht
sein Tag) und zurück zu Unterkunft transferiert wird. Ich erlebe
dafür zunächst eine wohl einmalige Bootsüberfahrt über die Donau.
Mangels Brücke und Fähre chauffiert uns Läufer die Feuerwehr Matting
per Boot ans andere Ufer. Eine echt coole Nummer mit Spaßfaktor!
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Boxenstopp auf dem Marktplatz zu Riedenburg |
eine Steinmann-Familie am Weg nach Kelheim |
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Schloss Prunn auf der anderen Talseite |
die zweitlängste Holzbrücke Europas bei Essing |
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Aldo joggt über die Balken dieses
Brücken-Kunstwerks |
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auf dem Keltenwall unterwegs |
und im Donaudurchbruch nahe Weltenburg |
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die Befreiungshalle von Kelheim lässt
VP2 ganz greifbar nah erscheinen |
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fertig machen zum Essen fassen |
hier trennen sich leider unsere Wege im Rennen |
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Donauhafen Kapfelberg |
Sonnenuntergang bei Poikam, wenige km vor Matting |
Samstag, 11. April 2015
--- 00:23 Uhr, ich sitze am schön warmen Kachelofen im
Naturfreundehaus Schönhofen. Kaffee, Cola, Tee und ein Weizen, genau
in dieser Reihenfolge, wandern durch meine Kehle. Dazu Brote, Wurst
und Kuchen, es geht mir phantastisch, obwohl ich das letzte
Teilstück ob der beschwerlichen Waldwege ordentlich verflucht habe.
Alles vergessen in diesem fast heimeligen VP und seiner
liebenswerten Besatzung. Aber weiter geht es. Der Mond schiebt sich
langsam ans Firmament und macht die Dunkelheit nicht mehr ganz so
dunkel. Einsam geht es über nicht enden wollende Waldwege nach
Pielenhofen. Kalt wird es auch. Ich krame die Handschuhe aus dem
Rucksack. Endlich, die „Klosterwirtschaft“ in Pielenhofen an der
Naab-Brücke, VP 5. Hier gibt es ein warmes Süppchen. Das gibt
unglaubliche Kraft und besiegt die Müdigkeit. Und wieder raus….
Wenige Kilometer weiter ein Verhauer. Die Schilder sagen „so lang“,
das GPS „anders lang“! Ich vertraue dem GPS, stehe 500 m weiter im
Niemandsland und könnte vor Wut die Zähne in den Hintern schlagen.
Auf dem Rückweg kommt mir Raimund Slabon entgegen, auch ein
GPS-Vertrauer. Seinen Verhauer kann ich wenigstens verkürzen. Noch
einmal die Naab überquert, dann verschluckt mich wieder ein Wald für
gefühlte Ewigkeiten, bevor mit dem ersten Morgenlicht der VP6 in
Dallackenried ins Blickfeld kommt. Ein Selfie beweist mir, ich sehe
so was von Sch… aus! Aber ich fühle mich doch gar nicht so! Mehrere
Tassen Kaffee und reichlich Cola bringen mich zurück ins Leben und
auf den Jurasteig, der jetzt richtig Spaß macht. Die wärmende Sonne
und die malerische Landschaft des Vilstals lassen das Herz höher
schlagen und die Beine laufen quasi von allein. Kerstin hat mich
auch angerufen und nach meinem Befinden erkundet. Wir sehen uns bald
am VP7. Doch der Weg bis dahin zieht sich. 21,9 km können sooooo
lang sein! |
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das 0.23 Uhr - Menü |
6.40 Uhr, man sehe ich Sch... aus |
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VP7 - alles gut |
gelben Drop-Bag fassen |
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und neue Socken suchen |
der Veranstalter versteht es Aufzumuntern ;-) |
Doch kurz vor 11:00 Uhr
liegen wir uns in den Armen. Kerstin, Almuth und der halbwegs erholte
Aldo versorgen mich in der Drop-Bag-Station Schmidmühlen. 138,5 km
sind vollbracht, nur noch schlappe 31,5 km stehen mir bevor. Während
die „früh- und spät-langen“ ein Schläfchen im Sportlerheim einlegen,
mache ich mich wieder auf die Piste. Mehr oder weniger an der
Lauterach entlang geht es in stetem auf und ab, auf teils von
Forstfahrzeugen zerfahrenen Wegen (mir erzähl noch mal einer was von
wegen Mountainbiken und Bodenerosion) nach Hohenburg, zum VP8. Bevor
ich meinen Magen mit herrlich warmen Kartoffelbrei und Gerstensaft
füllen darf, erfahre ich noch richtig Schmerzen! Wer schon einmal nach
151 gelaufenen Kilometern über eine Leitplanke klettern musste, kann
das nachvollziehen! |
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tolle Kulisse, kurz vor Hohenburg |
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die Haxen über die Leitplanke bugsieren ist schmerzhaft |
aber Bier bekämpft auch Muskelschmerz |
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wenn das nicht Flügel verleiht ;-) |
Kastl in Sicht |
Aber das Ziel ist ja
schon fast in Sicht und schnell geht es weiter. Die Waldwege sind
weiterhin nicht so toll, garniert mit reichlich Windbruch und auf
den Feldern pfeift, vor allem während einiger kleiner Regenschauer
ordentlich der Wind. Im Anstieg auf den Rechenfels verfluche ich
Gerhard Börner, Gott und die Welt. Dabei verhaue ich mich glatt noch
einmal um gut 500 m und auch die vermutlich wirklich schöne Aussicht
von hier oben will ich nicht genießen. Runter ins Ziel nach Kastl
ist die Devise! 18.30 Uhr, nach 33:30:00 Stunden auf den Beinen habe
ich es geschafft. |
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die Kurz-Version ist gleich vollbracht |
auf den letzten Metern |
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erst mal ein Kaffee im Ziel |
Siegerehrung am Sonntag |
Zwei Stunden später sitzt unsere
Jurasteig-Expedition im „Bräu-Toni“ in Dietfurt. Essen vom
Porzellanteller, wohltemperiertes Bier aus dem Glas, ein, zwei,
drei… „Fränkische Hochmoorgeiste“ lassen die tollen zwei Tage
angemessen ausklingen. Nach 23 Uhr siegt die Müdigkeit, ich falle
ins Bett und in einen narkoseähnlichen Schlaf. |
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die stolze Ausbeute |
kein Grund zur Beschwerde |
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Sonntagabend --- ruhig im Gras liegen,
Sonne genießen und Altmühl gucken.... |
Sonntag,
12. April --- Die Sonne lacht ins Zimmer.
Meine Füße sehen nach Hobbit aus. Ich passe aber in meine Schuhe. Der
Rücken schmerzt ein wenig, treppauf und –ab ist es etwas beschwerlich,
aber ich fühle mich sauwohl! Gemeinsam laufen wir zum Zielbereich und
schauen uns an wie die Typen, die mit den grauen Drop-Bags, ins Ziel
kommen.
Melanie & Steffen Kohler zum Beispiel
– wahre Helden, die zudem mit ihrem Lauf noch Spenden sammelten! Tief
beeindruckt beschließe ich 2016 auch ein solch graues Exemplar mein
Eigen zu nennen!
Abschließend möchte ich es nicht versäumen "Danke" zu sagen! Danke an
Gerhard Börner und sein gesamtes Team, für eine echt familiär und
liebevoll organisierte Veranstaltung. Danke an Kerstin und Almuth für
die perfekte Versorgung vor, während und nach dem Lauf und natürlich
an Aldo, für 50 km gemeinsamen Weg und seinen späteren Wechsel in das
Versorgungsteam.
Gewonnen haben dieses „Brett“ übrigens
239 km
Männer Georg Kunzfeld & Paul Moog in 37:33 Stunden
239 km Frauen Kristina Tille in 41:02 Stunden
170 km Männer Clipet Thibaud in 22:00 Stunden
170 km Frauen Nicole Kresse in 27:52 Stunden |
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Ein paar technische Daten zum Lauf:
Streckenangebote: 239 km mit 7.900 hm, oder 170 km mit 5.900 hm
33 Finisher auf der langen und 38 auf der kurzen Distanz, bei 35
DNF's bei der Austragung 2015
Karte: Jurasteig, Nr. 527
www.publicpress.de
alle Infos zum Lauf unter
www.junut.de
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