rossi-mountains
• Home • News • Bergsteigen • Radsport • Laufen • Specials • über uns • Kontakt • links •
JUNUT vom 10. - 11. April 2015

JUNUT-Romantik

Da sitze ich nach meinem vermasselten UTMB 2014 vor dem Bildschirm und google, wo denn ein paar irre Typen ein Rennen veranstalten, welches mir die benötigten Punkte für die nächste dieser Veranstaltung bringen könnte. Bei „JUNUT“ bliebe ich hängen. „Jurasteig Nonstop Ultratrail“ heißt das Zauberwort. 230 km mit 7.900 Höhenmetern oder 172 km mit 5.900 Höhenmetern, beides vier Punkte wert. Der Jurasteig befindet sich in Mittelfranken, grob im Dreieck zwischen Nürnberg,  Amberg und Regensburg gelegen und fordert demzufolge für uns  auch keine große Anreiselogistik. Da muss ich hin! Besagte Pünktchen gibt es auch für die Weichei-Version, also wähle ich den Weg des geringsten Widerstandes. Mit Kerstin ist der nachösterliche Kurzurlaub 2015 schnell geklärt und mit Aldo auch ganz schnell ein weiterer Mitstreiter gefunden.
Dass es bald darauf schon eine Streckenveränderung gibt, von 230 auf 239, bzw. von 172 auf 170 km juckt mich herzlich wenig. Die Reduktion der UTMB-Punkte von vier auf null ist  aber schon ein kleiner Dolchstoß in mein Läuferherz. Das Thema der Kommerzialisierung des Sports will ich hier nicht diskutieren, aber das Verständnis, das kleine Veranstalter sich dagegen stemmen finde ich generell in Ordnung. Dies und die begeisternden Berichte zu den JUNUT’s der Vorjahre lassen mich dann aber doch an meinem Vorhaben festhalten und, …ich wurde dafür reich belohnt!

Gelbe Drop-Bags --- schnell verstecken beim Briefing, Gerhard Börner, 2. v.l.
Donnerstag, 9. April 2015 --- Wir holen in Dietfurt an der Altmühl unsere Startunterlagen ab. Die 239-km-Männer und –Frauen bekommen graue Drop-Bags, wir 170 km – Leute gelbe. Ich fühle mich als Weichei in der Übermacht der Grauen und lasse das gelbe Teil schnell in meinem Rucksack verschwinden. Ein Blick in die Startliste, wir stehen unter „früh-kurz“ und sind schon wieder als Weicheier enttarnt. „9.00 Uhr Start – kurze Strecke“ ist der bedeutsame Inhalt dieser Phrase. „Spät-kurz“ (15.00 Uhr) hätte von mehr Tempo, „früh-lang“ wenigsten von grauen Drop-Bags und „spät-lang“ von der Königsklasse gezeugt. Aber egal, wir müssen da jetzt durch und schauen auf zu den „Nicht-früh-kurzen“, mit denen wir später das Briefing erleben und noch später an einer opulenten Pastaparty im „Stirzer“ teilnehmen.
selten solch leckere Pasta-Party erlebt gelbe Drop-Bags klar in der Unterzahl

Freitag, 10. April 2015 --- Morgens kurz vor 9.00 Uhr. Wir stehen auf dem Marktplatz zu Dietfurt und fiebern dem Startschuss entgegen. Es ist noch morgendlich frisch, die Sonne verspricht aber schon jetzt einen schönen warmen Frühlingstag. Wir sind aufgeregt, alle, egal ob „früh-kurz“ oder „früh-lang“. Kerstin und Almuth sehen dass gelassener, sie werden uns an den Verpflegungspunkten treffen und mit dem versorgen, was nicht im gelben Drop-Bag oder unseren Rucksäcken steckt. …und dann geht es endlich los ins Vergnügen! Der Altmühl folgend, mal nach links hoch, raus aus dem Tal und wieder runter, mal rechts hoch, raus aus dem Tal und wieder runter werden die ersten 26,5 km  und 1.014 hm bis zum VP1 in Riedenburg abgerissen. Unsere Damen am VP versorgen uns ordentlich und weiter geht es in gleicher Manier. Etwas langsamer jetzt, da Aldo leichte Probleme mit der Wärme hat.

Minuten vor dem Start, mit Martin Woytinek ...die Navi's werden geeicht
...und auf geht es, ins Vergnügen
hinaus aus Dietfurt und schon wartet der erste Anstieg
oben... phantastischer Tiefblick kurz runter ins Tal und gleich wieder hoch
unterwegs auf einem herrlichen Stück Erde
Aufstieg zu den Teufelsfelsen Idyll nach 11 km
Riedenburg unter uns im Altmühltal - der VP1 in greifbarer Nähe
der VP zieeeeeeht

Der schier endlose Keltenwall führt uns zur Donau hinab, spendet aber angenehmen Schatten und bald schon haben wir die Befreiungshalle im Blick und damit den nächsten VP in Kelheim in greifbarer Nähe. „Auftanken“, aufmunternde Worte hören und weiter geht es. Jetzt aber getrennt, denn Aldo will regenerieren und später wieder versuchen zu mir aufzulaufen. Durch weitläufige Wälder, mit kreuz und quer herumliegenden Hinterlassenschaften von Sturmtief Niklas, danach über endlose Feldwege, erreicht mich in Bad Abbach das Dunkel der Nacht. Im Briefing haben wir gelernt, ein rabiater Jagdpächter und ausgewiesener Wanderweg-Feind entfernt auf dem nun folgenden Stück regelmäßig die Wegmarkierungen. Mit dem GPS-Track sollte das kein Problem sein, doch eine glückliche Fügung ließ mich hier auf Gerhard Börner, seines Zeichens Veranstalter des Rennens auflaufen… und wenn der den Weg nicht kennt!?! In seinem Windschatten fliege ich förmlich und vor allem zielsicher in Matting ein. Kilometer 78,5, VP 3 und zugleich die erste Drop-Bag-Station. Schuhe und Socken wechseln, trockenes Shirt anziehen, eine Jacke für die Nacht überwerfen, essen, ein Bier und von Kerstin & Almuth bis zum nächsten Tag verabschieden. Die beiden warten hier auf Aldo, der sein Rennen beendet (Kreislauf, Magen, Darm… es war leider nicht sein Tag) und zurück zu Unterkunft transferiert wird. Ich erlebe dafür zunächst eine wohl einmalige Bootsüberfahrt über die Donau. Mangels Brücke und Fähre chauffiert uns Läufer die Feuerwehr Matting per Boot ans andere Ufer. Eine echt coole Nummer mit Spaßfaktor!

Boxenstopp auf dem Marktplatz zu Riedenburg eine Steinmann-Familie am Weg nach Kelheim
Schloss Prunn auf der anderen Talseite die zweitlängste Holzbrücke Europas bei Essing
Aldo joggt über die Balken dieses Brücken-Kunstwerks
auf dem Keltenwall unterwegs und im Donaudurchbruch nahe Weltenburg
die Befreiungshalle von Kelheim lässt VP2 ganz greifbar nah erscheinen
fertig machen zum Essen fassen hier trennen sich leider unsere Wege im Rennen
Donauhafen Kapfelberg Sonnenuntergang bei Poikam, wenige km vor Matting

Samstag, 11. April 2015 --- 00:23 Uhr, ich sitze am schön warmen Kachelofen im Naturfreundehaus Schönhofen. Kaffee, Cola, Tee und ein Weizen, genau in dieser Reihenfolge, wandern durch meine Kehle. Dazu Brote, Wurst und Kuchen, es geht mir phantastisch, obwohl ich das letzte Teilstück ob der beschwerlichen Waldwege ordentlich verflucht habe. Alles vergessen in diesem fast heimeligen VP und seiner liebenswerten Besatzung. Aber weiter geht es. Der Mond schiebt sich langsam ans Firmament und macht die Dunkelheit nicht mehr ganz so dunkel. Einsam geht es über nicht enden wollende Waldwege nach Pielenhofen. Kalt wird es auch. Ich krame die Handschuhe aus dem Rucksack. Endlich, die „Klosterwirtschaft“ in Pielenhofen an der Naab-Brücke, VP 5. Hier gibt es ein warmes Süppchen. Das gibt unglaubliche Kraft und besiegt die Müdigkeit. Und wieder raus…. Wenige Kilometer weiter ein Verhauer. Die Schilder sagen „so lang“, das GPS „anders lang“! Ich vertraue dem GPS, stehe 500 m weiter im Niemandsland und könnte vor Wut die Zähne in den Hintern schlagen. Auf dem Rückweg kommt mir Raimund Slabon entgegen, auch ein GPS-Vertrauer. Seinen  Verhauer kann ich wenigstens verkürzen. Noch einmal die Naab überquert, dann verschluckt mich wieder ein Wald für gefühlte Ewigkeiten, bevor mit dem ersten Morgenlicht der VP6 in Dallackenried ins Blickfeld kommt. Ein Selfie beweist mir, ich sehe so was von Sch… aus! Aber ich fühle mich doch gar nicht so! Mehrere Tassen Kaffee und reichlich Cola bringen mich zurück ins Leben und auf den Jurasteig, der jetzt richtig Spaß macht. Die wärmende Sonne und die malerische Landschaft des Vilstals lassen das Herz höher schlagen und die Beine laufen quasi von allein. Kerstin hat mich auch angerufen und nach meinem Befinden erkundet. Wir sehen uns bald am VP7. Doch der Weg bis dahin zieht sich. 21,9 km können sooooo lang sein!

das 0.23 Uhr - Menü 6.40 Uhr, man sehe ich Sch... aus
VP7 - alles gut gelben Drop-Bag fassen
und neue Socken suchen der Veranstalter versteht es Aufzumuntern ;-)

Doch kurz vor 11:00 Uhr liegen wir uns in den Armen. Kerstin, Almuth und der halbwegs erholte Aldo versorgen mich in der Drop-Bag-Station Schmidmühlen. 138,5 km sind vollbracht, nur noch schlappe 31,5 km stehen mir bevor. Während die „früh- und spät-langen“ ein Schläfchen im Sportlerheim einlegen, mache ich mich wieder auf die Piste. Mehr oder weniger an der Lauterach entlang geht es in stetem auf und ab, auf teils von Forstfahrzeugen zerfahrenen Wegen (mir erzähl noch mal einer was von wegen Mountainbiken und Bodenerosion) nach Hohenburg, zum VP8. Bevor ich meinen Magen mit herrlich warmen Kartoffelbrei und Gerstensaft füllen darf, erfahre ich noch richtig Schmerzen! Wer schon einmal nach 151 gelaufenen Kilometern über eine Leitplanke klettern musste, kann das nachvollziehen!

tolle Kulisse, kurz vor Hohenburg
die Haxen über die Leitplanke bugsieren ist schmerzhaft aber Bier bekämpft auch Muskelschmerz
wenn das nicht Flügel verleiht ;-) Kastl in Sicht

Aber das Ziel ist ja schon fast in Sicht und schnell geht es weiter. Die Waldwege sind weiterhin nicht so toll, garniert mit reichlich Windbruch und auf den Feldern pfeift, vor allem während einiger kleiner Regenschauer ordentlich der Wind. Im Anstieg auf den Rechenfels verfluche ich Gerhard Börner, Gott und die Welt. Dabei verhaue ich mich glatt noch einmal um gut 500 m und auch die vermutlich wirklich schöne Aussicht von hier oben will ich nicht genießen. Runter ins Ziel nach Kastl ist die Devise! 18.30 Uhr, nach 33:30:00 Stunden auf den Beinen habe ich es geschafft.

die Kurz-Version ist gleich vollbracht auf den letzten Metern
erst mal ein Kaffee im Ziel Siegerehrung am Sonntag

Zwei Stunden später sitzt unsere Jurasteig-Expedition im „Bräu-Toni“ in Dietfurt. Essen vom Porzellanteller, wohltemperiertes Bier aus dem Glas, ein, zwei, drei… „Fränkische Hochmoorgeiste“ lassen die tollen zwei Tage angemessen ausklingen. Nach 23 Uhr siegt die Müdigkeit, ich falle ins Bett und in einen narkoseähnlichen Schlaf.

die stolze Ausbeute kein Grund zur Beschwerde
Sonntagabend --- ruhig im Gras liegen, Sonne genießen und Altmühl gucken....

Sonntag, 12. April --- Die Sonne lacht ins Zimmer. Meine Füße sehen nach Hobbit aus. Ich passe aber in meine Schuhe. Der Rücken schmerzt ein wenig, treppauf und –ab ist es etwas beschwerlich, aber ich fühle mich sauwohl! Gemeinsam laufen wir zum Zielbereich und schauen uns an wie die Typen, die mit den grauen Drop-Bags, ins Ziel kommen. Melanie & Steffen Kohler zum Beispiel – wahre Helden, die zudem mit ihrem Lauf noch Spenden sammelten! Tief beeindruckt beschließe ich 2016 auch ein solch graues Exemplar mein Eigen zu nennen!

Abschließend möchte ich es nicht versäumen "Danke" zu sagen! Danke an Gerhard Börner und sein gesamtes Team, für eine echt familiär und liebevoll organisierte Veranstaltung. Danke an Kerstin und Almuth für die perfekte Versorgung vor, während und nach dem Lauf und natürlich an Aldo, für 50 km gemeinsamen Weg und seinen späteren Wechsel in das Versorgungsteam.

Gewonnen haben dieses „Brett“ übrigens

239 km Männer               Georg Kunzfeld & Paul Moog in 37:33 Stunden
239 km Frauen                 Kristina Tille in 41:02 Stunden
170 km Männer               Clipet Thibaud in 22:00 Stunden
170 km Frauen                 Nicole Kresse in 27:52 Stunden


zu den T-Rex- Ergebnissen
 


Fotos: Kerstin & Volker Roßberg, Almuth Dictus, Aldo Bergmann

 


Ein paar technische Daten zum Lauf:
Streckenangebote: 239 km mit 7.900 hm, oder 170 km mit 5.900 hm
33 Finisher auf der langen und 38 auf der kurzen Distanz, bei 35 DNF's bei der Austragung 2015
Karte: Jurasteig, Nr. 527 www.publicpress.de
alle Infos zum Lauf unter www.junut.de